Die Presseliste: Ob man die Vermarktung des eigenen Werks vollständig dem Verlag überlässt oder sich als Außenstelle in Sachen Pressearbeit mitverantwortlich fühlt, ist weniger eine Glaubensfrage als eine Sache der Persönlichkeit. Ich zum Beispiel bin gerne Rampensau, Verkäufer sowie Archivar: Folglich liegt es mir nahe, bei Erscheinen eines neuen Buches jede Gelegenheit zur Bekanntmachung zu nutzen und – hier spricht der Archivar – die Kontaktdaten jedes Journalisten, Veranstalters, Bloggers oder Medienmenschen, den ich treffe, festzuhalten und zu katalogisieren. Eine für die Verlage sehr erfreuliche Haltung.
Man muss allerdings aufpassen. Zu Beginn meiner Laufbahn übertrieb ich diese Do-it-yourself-Haltung gnadenlos. Ganz so, als würde ich noch immer ein selbstgedrucktes Fanzine herausgeben, versendete ich die ersten Romane zu Dutzenden selbst. Manisch verfasste ich persönliche Anschreiben und klebte Luftpolsterumschläge zu. Warum auch nicht? Die meisten Journalisten auf meiner damals noch relativ „schmalen“ Presseliste kannte ich schließlich persönlich. Heute ist diese Presseliste, die jährlich aktualisiert und mit den Verteilern des jeweiligen Verlags abgeglichen wird, auf satte 39 Seiten und rund 275 Kontakte angewachsen. Doch von der Zeit, die es kosten würde, sie alle selbst zu bemustern einmal abgesehen, muss man als Schriftsteller auf sein Image aufpassen. Hat man zu wenig zu tun, wenn man den Versand nicht dem Verlag überlässt? Oder immer noch Angst, man könnte übersehen werden? Kontakte, die zudem nur einmal vor Jahren etwas Gutes geschrieben haben und seither sechs weitere Bücher einfach ignorierten, sollte man nicht länger mit dem fertigen Produkt bemustern, sondern eine Kategorie zurückstufen, in der der Redakteur nur noch eine Pressemeldung erhält. Kontakte, die umgekehrt zu den treuesten Seelen zählen, die stets berichten, bekommen den Titel so früh wie möglich und mit Grußkarte – aber ebenfalls vom Verlag. Die Brechstange, die in einem ganz frühen Stadium der Karriere ihre Berechtigung hat, bleibt in der Garage.
Eine besondere Herausforderung für das Ego bilden jene Adressaten in einem Presseverteiler, die zu den wichtigsten und mächtigsten Multiplikatoren der Branche gehören: die Feuilletons der großen Zeitungen, die Kulturabteilungen bei SPIEGEL, stern und FOCUS, die wenigen verbliebenen Fernsehsendungen zum Büchermarkt. – Jeder Autor will da „rein“, wenn er ehrlich ist. Doch was heißt das überhaupt? Es heißt, die Gunst eines kleinen Kreises von Menschen erringen zu wollen, die das eigene Schaffen bislang nicht aus Boshaftigkeit oder Ablehnung ignorieren, sondern einfach, weil sie es nicht bemerkt haben. Denn hätten sie es bemerkt und es aus ganzem Herzen verachtet, triebe genau diese Energie sie zu einem für PR-Zwecke wertvollen Verriss. Diese Menschen stehen schlichtweg täglich unter einem Dauerbeschuss aus Angeboten. Um diese Abwehrreihen zu knacken kann es passieren, dass man im Übereifer passgenaue Anschreiben an jene Mächtigen verfasst, die niemals ankommen, oder über Dritte, die mit ihnen bekannt sind, auf sich aufmerksam macht, was klappen kann, aber zu nichts führt. Bis man lernt: Wer wann wo und auf welche Weise berichtet, ist nicht direkt beeinflussbar.
Eigenständiger Eifer als „Außenstelle“ des Verlags bleibt wertvoll, wenn er das nervöse Ego außen vorlässt! Sollten Sie eine Verkäuferseele haben, streben Sie eine sinnvolle Kooperation mit dem Verlag an, die strukturiert die Kräfte verdoppelt, aber geboren aus der Freude über das eigene Schaffen und nicht aus dem zwanghaften Anspruch, irgendein Adressat müsse das Angebot der Berichterstattung annehmen. Dann klappt’s auch irgendwann mit dem Wunschbericht.
Oliver Uschmann: www.wortguru.de
In FEDERWELT, Heft 112, Juni/Juli 2015
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