
20 Jahre literaturcafe.de
Drei Fragen an Wolfgang Tischer
Zwanzig Jahre literaturcafe.de: Wie war das damals? Wie kam es zur Gründung? Was orderten und ordern eure Besucher am liebsten?
Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich damit zwei Leidenschaften verbinden kann: die für Bücher und die für Technik-Schnickschnack, Computer und Internet. Was als Hobby eines Buchhändlers begann, ist heute eine Haupttätigkeit. Sofern man davon überhaupt sprechen kann, denn ich bin wechselweise als Journalist, Dozent, Redner, Moderator und Vorleser unterwegs.
Was die Leute im literaturcafe.de am liebsten ordern? Ganz nüchtern: die Normseite. Die Vorlage wird immer gerne runtergeladen. Selbst Studenten der Schreibschulen sagen mir nach der Vorstellung: „Ach ja, die Website mit der Normseite!“ Auch so wird man unsterblich.
Du warst immer einer der Ersten: einer der Ersten mit einem derart umfassenden und qualitativ hochwertigen Informationsangebot für AutorInnen. Einer der Ersten, der Podcasts von Branchenevents aufgenommen und dabei Größen wie Roger Willemsen interviewt hat. Seit einiger Zeit begleitet dich nicht nur ein Mikro auf deinen Streifzügen durch die Welt der Literatur, sondern auch eine Videokamera. Und du nimmst uns nicht nur mit auf die Buchmessen in Frankfurt oder Leipzig, sondern auch nach Kanada, wo du im Winter auf den Spuren von Jack London dem „Ruf der Wildnis“ folgtest. – Wo geht deine Reise hin? Was machst du als Nächstes?
Die nächste größere Reise wird mich wohl wieder zum Bachmannpreis nach Klagenfurt führen. Doch falls die Frage metaphorisch gemeint ist, dann kann ich sie nicht beantworten. All die Dinge, die du erwähnt hast, haben sich so ergeben. Wer weiß, was es in einem Jahr, in fünf oder zehn Jahren geben wird? Wahrscheinlich werde ich es ausprobieren und einen Bezug zur Literatur herstellen. Und wenn die Masse dort angekommen ist, werde ich wohl schon wieder weg sein. Das ist manchmal auch ein Fluch.
Apropos Fluch: Was mir Sorgen bereitet, das ist die Verfacebookisierung der Kommunikation. Wir sollten uns deutlicher wieder auf das freie Netz besinnen und es hegen und pflegen, denn langfristig wird der Aufenthalt in den behüteten Gemeinschaften zur Gefahr der freien Rede, der Kommunikationskultur und der Demokratie werden. Ich weiß, das klingt pathetisch, aber wir sprechen uns in zwanzig Jahren wieder.
Was machst du, wenn du mal nichts machst, das mit Büchern zu tun hat?
Wandern – gerne auch mal bei Regen, gerne auch mal über vierzig Kilometer am Stück – und schlafen. Der Rest ist privat.
Interview: Sandra Uschtrin
mit Wolfgang Tischer | www.literaturcafe.de
In: Federwelt, Heft 118, Juni 2016
Foto: Birgit-Cathrin Duval