
Klappe zu, Meerschweinchen tot
Wie Sie einen wirkungsvollen Klappentext verfassen
Viele AutorInnen würden lieber mit den Fingernägeln ihre Autoscheiben von einer zentimeterdicken Eisschicht befreien, für drei Monate ins Dschungelcamp einziehen oder ohne PDA Drillinge auf die Welt pressen, als IHN zu schreiben: den Klappentext. Die textgewordene Schreibblockade. Der Alptraum bei jeder Buchveröffentlichung. Wir hassen ihn alle.
Dabei ist es so einfach, einen Klappentext zu schreiben – würde ich Ihnen gerne an dieser Stelle versprechen, doch leider ist es harte Arbeit. Aber es gibt Techniken, die Sie sich zu Nutze machen können.
Warum fällt es Ihnen so viel leichter, einen schmissigen Klappentext zum Roman Ihrer guten Autorenfreundin zu schreiben als zu Ihrem eigenen? Weil Ihnen zum eigenen Roman etwas Wichtiges fehlt: Distanz. Die Arbeitsschritte, die wir gleich zusammen gehen werden, dienen also vor allem dazu, Distanz herzustellen.
Der Klappentext ist nach dem Cover die zweitwichtigste Werbefläche für Ihr Buch. Er soll nicht informieren, sondern das richtige Publikum zum Kauf anregen. Dafür bedienen wir uns am besten auf einem Gebiet, das sich auf Kaufanreize versteht: Werbung.
1) Setzen Sie einen ersten Blickfang mit einer Headline.
Zuerst stirbt das Meerschweinchen. Ab da geht es steil bergauf.
Eine Headline soll den Leser „kitzeln“ – hier zum Beispiel mit einem bewusst gesetzten Widerspruch. Jemand/etwas stirbt, und es geht bergauf, nicht bergab? Interessant. Mal sehen, was dahinter steckt.
2) Erleichtern Sie dem Leser die Kaufentscheidung.
Die Aufmerksamkeit des Lesers haben Sie. Ab jetzt will der Leser vor allem eines wissen. Nein, nicht: „Worum geht es in diesem Buch?“ Sondern: „Ist dieses Buch etwas für mich?“
Sie müssen ihm also die richtigen Informationen an die Hand geben, um diese Frage zu beantworten. Und Sie wollen nicht, dass möglichst viele Leser Ihr Buch kaufen. Nein – Sie wollen, dass die richtigen Leser Ihr Buch kaufen. Und von denen dann möglichst viele. Ein Klappentext, der falsche Erwartungen weckt, führt zu frustrierten Käufern, die womöglich negative Bewertungen hinterlassen.
Diese Entscheidungshilfe geben Sie, indem Sie die vier wichtigsten Punkte Ihres Romans anreißen: Die Heldin A findet sich in einer Situation B. Ihr Ziel ist C, die Schwierigkeit dabei ist D.
Eigentlich ist Silke (A) sehr verliebt (B) in Klaus. Bald soll die Hochzeit stattfinden (C), doch Klaus verbringt immer mehr Zeit mit seinen Meerschweinchen (D). Als Klaus beginnt, sich von Salat zu ernähren und beim Sprechen mit der Nase zu wackeln, kommen Silke erste Zweifel (D) …
Verfassen Sie diesen Text im gleichen Ton, den Sie im Roman anschlagen. Die Geschichte von Silke, Klaus und den Meerschweinchen ist sicher kein bierernstes Gesellschaftsdrama, es wäre also falsch, im Klappentext diesen Eindruck zu erwecken.
Greifen Sie nicht vor. Schildern Sie wirklich kaum mehr als die Ausgangssituation und den Grundkonflikt.
Sparen Sie Namen, vor allem, wenn es komplizierte oder ungewohnte sind. Je weniger Personen Sie im Klappentext aufmarschieren lassen, desto besser.
Und: keine Klischees!
Silke fasst einen verzweifelten Plan. Bald muss sie eine Entscheidung treffen, die ihr ganzes Leben aus den Fugen hebt, und sich ihrer größten Herausforderung stellen.
Gähn! Tausendmal gelesen, und wenn Sie „Silke“ durch „Wilhelmine“ oder „Krystaal“ ersetzen, haben Sie den gleichen Text prima für einen historischen oder einen Fantasyroman angepasst. Weil er keine Bilder erzeugt. Null Kopfkino. Darum geht es aber beim Klappentext: Sie müssen dem Leser direkt ein Bild in den Kopf pflanzen. Und dafür müssen Sie zum Punkt kommen.
3) Bestärken Sie den Leser in seiner Kaufentscheidung.
Jetzt haben wir es nicht mehr mit vage, sondern mit konkret interessierten Lesern zu tun. Alle anderen haben Ihr Buch bereits weggeklickt oder weggelegt. Der Leser, der hier noch über Ihr Buch nachdenkt, möchte nun in seinem Interesse bestärkt werden. Eine gute Methode dafür sind Referenzen – in der Regel Lesermeinungen, die zu Ihrem Buch abgegeben wurden. Je bekannter die Leserstimme desto besser, aber auch Silke von „Silkes Meerschweinchenblog“ ist besser als gar keine Referenz.
Wählen Sie eine Formulierung, die schmeichelt, aber nicht allzu sehr anpreist und das Besondere Ihres Buches hervorhebt. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, das eigene Buch zu loben, aber da müssen Sie jetzt durch.
„Selten so viele originelle, witzige Ideen in einem Roman gefunden.“
„Ein Feuerwerk an Witz und Situationskomik.“
Bevorzugen Sie emotional aufgeladene Worte. Witz, Humor, Drama, Tränen, Spannung, Action … nur vielleicht nicht alle auf einmal.
Bei dieser Gelegenheit können Sie auch das Genre klar benennen – falls das nicht schon durch einen Untertitel auf dem Cover erfolgt ist.
„Silke und die Meerschweinchen – ein packender Thriller, den ich in einer Nacht durchgelesen habe. Konnte nicht aufhören.“
„Silke und die Meerschweinchen – ein herzzerreißender Liebesroman. Habe während der Lektüre zwei Boxen Taschentücher geleert.“
Zugegeben, auch mir fällt es schwer, meine eigenen Bücher zu loben. Für die „Feuerjäger“ habe ich mich auf einen aussagestarken Vergleich zurückgezogen: „Feuerjäger ist der Rock ‘n‘ Roll der Fantasyliteratur.“ Das erfüllt denselben Zweck und sortiert schon mal alle Leser aus, die es lieber traditionell mögen – und davon gibt es im Bereich Fantasy eine Menge.
4) Reichen Sie Zahlen, Daten, Fakten nach.
Dieser Punkt ist der am wenigsten spannende und rückt deshalb ganz nach hinten. Ist Ihr Roman Teil einer Reihe? Nur für Leser ab 18 geeignet, die explizite Erotik wünschen? Farbig illustriert? Gut für Erstleser oder zum Vorlesen geeignet? Dann liefern Sie diese Information in einer optisch abgesetzten Zeile am unteren Rand des Textfeldes. Stellen Sie unbedingt heraus, was der Roman bietet, nicht das, was er nicht bietet.
5) Machen Sie formal alles richtig.
Verfassen Sie Ihren Klappentext unbedingt in der dritten Person Präsens, auch wenn Sie den Roman in der Ichform Vergangenheit geschrieben haben. Viele Autoren machen diesen Punkt intuitiv richtig – wir alle haben schon Tausende Klappentexte gelesen und die Standards verinnerlicht. Überprüfen Sie trotzdem, ob Sie konsequent waren.
Überprüfen Sie den Text auf Tippfehler. Banal, aber wichtig. Überprüfen Sie ihn noch mal und zum letzten Mal, wenn Sie die Rückseite Ihres Buchumschlages gestaltet haben. Klappentexte entstehen oft auf den letzten Drücker. Nehmen Sie die Qualitätssicherung unbedingt ernst.
Geben Sie Ihren fertigen Klappentext einem Testleser, der Ihr Buch nicht kennt! Lassen Sie sich schildern, welche Erwartungen Ihr Klappentext weckt – eine gute Möglichkeit zu kontrollieren, ob Sie alles richtig gemacht haben.
6) Fassen Sie sich kurz.
Und zwar umso kürzer, je schmaler Ihr Roman ist. Ein Klappentext sollte sich zwischen 100 und 200 Worten bewegen, wobei ich die 200 Worte nicht ausschöpfen würde. Es geht auch kürzer, und wenn Sie das Grundgerüst Held – Situation – Ziel – Schwierigkeit beachten, kommen Sie gar nicht ins Erzählen.
Und jetzt? Fertig? Ja – also, fast. Lassen Sie Ihren Klappentext ein paar Tage liegen und gehen Sie mit ausgeruhtem Hirn noch mal ran. Die Zeit können Sie nutzen, um sich zu überlegen, wo überall Sie Ihren Klappentext verwenden können: natürlich auf der Rückseite Ihres Buches und in der Artikelbeschreibung der E-Book-Portale. Aber darüber hinaus können Sie damit prima Werbemittel gestalten – vom Lesezeichen bis zur Küchenschürze.
Autorin: Susanne Pavlovic | www.textehexe.com
Illustration: Peter Boerboom | www.boerboom-vogt.de
In: der selfpublisher, Heft 1, März 2016