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Wer reicht Autorinnen und Autoren den kleinen Finger?

Branchen-News
Sandra Uschtrin
Kreativität muss sich lohnen - die Autorenwelt zeigt sich solidarisch mit Autoren

Was verdienen Autorinnen und Autoren? Warum ist es nur so wenig? Und: Könnte es auch mehr sein?

Frankfurter Buchmesse. Der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) – die bedeutendste Organisation von AutorInnen in Deutschland und deren professionelle Interessenvertretung – teilt sich gemeinsam mit dem PEN-Zentrum Deutschland und dem Deutschen Literaturfonds einen Messestand. Das machen die drei seit vielen Jahren so. So spart man Geld.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat das nicht nötig. Er vertritt die Interessen von rund 5.000 Verlagen, Buchhandlungen, Antiquariaten, Zwischenbuchhandlungen und Verlagsvertretungen. Auf der Buchmesse hat der Börsenverein ein eigenes Areal. Das ist so groß wie ein Handballfeld. Die Organisatorin der Frankfurter Buchmesse, die Frankfurter Buchmesse GmbH, ist eine Tochtergesellschaft des Börsenvereins.
Was uns das sagt?
Zum Beispiel, dass sich mit der Leistung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern sehr viel Geld verdienen lässt. Dass der Börsenverein eine Menge richtig macht. Und dass die Machtverhältnisse zwischen dem VS und dem Börsenverein so sind, wie sie sind. Hat das etwas mit Kapitalismus zu tun? Wie auch immer, die einen sind relativ arm dran. Das sind diejenigen, die mit ihrer Fantasie und ihren Ideen den Geschichten-Rohstoff zu Tage fördern. Die anderen, die aus diesem Stoff Waren herstellen – Bücher, E-Books, Hörbücher, Filme – und unters Volk bringen, sitzen am längeren Hebel und diktieren die Preise und Honorare.

Jahreseinkommen von Autorinnen und Autoren
Natürlich gibt es unter den Autorinnen und Autoren immer einige, die reich und berühmt sind. Denken wir an J. K. Rowling, deren Vermögen die Sunday Times auf 770 Millionen Euro schätzt. Mit der Muse knutschen, im Rausch Seite um Seite in die Tasten hauen und mit ein wenig Glück geht es einem so wie der Harry-Potter-Erfinderin – so stellen sich viele, die nicht in der Buchbranche arbeiten, das Leben von Schriftstellern vor. Oder – das andere Extrem – sie haben das Bild von Spitzwegs Armen Poeten vor Augen. Der hockt im Winter im Bett, weil er kein Geld hat, sein Zimmer zu heizen.
Die Wahrheit liegt beängstigend nah bei Spitzweg: Die allermeisten AutorInnen verdienen mit dem Schreiben so wenig, dass sie davon nicht leben können. Viele haben nebenher einen Brotberuf oder müssen Schreibkurse anbieten und für schlecht bezahlte Lesungen durch ganz Deutschland tingeln. Die Mieten werden immer teurer, der Lesestoff durch E-Books und Flatrates immer billiger. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der bei der Künstlersozialkasse aktiv Versicherten lag zum 1. Januar 2018 im Bereich Wort (Schriftstellerinnen und Journalisten) bei 20.909 Euro, die Frauen verdienten 18.108 Euro, die Männer 24.139 Euro. (1) Das ist zum Leben zu wenig und zum Schreiben auch.

Midlist-Autoren-Sterben
Besonders schwer haben es die Midlist-Autoren. Das sind, wie Schriftstellerin Sandra Henke weiß, die Autorinnen und Autoren, die genug Bücher verkaufen, um von ihren Verlagen immer wieder neue Verträge zu erhalten, deren Buchtitel man aber auf keiner Bestsellerliste findet. Sandra Henke gehört selbst zu dieser Gruppe. „Ich zähle zu den zahlreichen fleißigen Bienchen unter den Geschichtenerzählern, die immer weiter und weiter Manuskripte fertigstellen müssen, um vom Schreiben leben zu können. Ein Buch pro Jahr reicht da nicht aus.“ Für diese AutorInnen werde die Luft dünner, konstatiert Henke. „Entweder man schafft den Sprung in die erste Liga oder, das sehe ich bei vielen KollegInnen, man wird zum Hybridautor und baut sich ein zweites Standbein als Selfpublisher auf, um weiterhin seine Rechnungen bezahlen zu können. Aber vielen tut es weh, plötzlich ins Billigsegment zu wechseln. Man mag jetzt mit Honoraranteilen bis zu 70 Prozent [im Selfpublishing] argumentieren, darf aber nicht vergessen, dass die wenigsten E-Books bei der Masse an Veröffentlichungen noch herausstechen und daher die Umsätze beim Gros der Autorinnen und Autoren überschaubar sind.“ (2)
Außerdem müssen Selfpublisher, wie der Name schon sagt, alle Kosten selbst tragen. Von ihren Einnahmen, die sie über Buchverkäufe erzielen, müssen sie also die Ausgaben abziehen: fürs Lektorat und Korrektorat, für das Erstellen des Covers, fürs Marketing. Laut Selfpublishing-Umfrage 2018 haben sich die monatlichen Einnahmen zwar erhöht – sie liegen nun bei 1.048 Euro. Die Hälfte der Selfpublisher, die bei der Umfrage mitmachten, nehmen via Selfpublishing allerdings weniger als hundert Euro im Monat ein. (3)
Zurück zu Sandra Henke: Entweder werden also aus Midlist-Autoren allesamt Bestsellerautoren – was so nicht funktioniert – oder sie veröffentlichen zusätzlich im Selfpublishing, gehen also unternehmerisch ins Risiko. Oder, und diese Möglichkeit deutet Sandra Henke in ihrem Artikel ebenfalls an, die „fleißigen Bienchen“ verabschieden sich vom Schreiben. Das geht ganz leise und nahezu unbemerkt – wie das Bienensterben. Muss ja niemand schreiben.

Muss ja niemand Bücher verlegen
Wenn Verlage dichtmachen – muss ja niemand Bücher verlegen –, geht gerne ein Aufschrei durch die gesamte Buchbranche. Beim Tübinger Verlag Klöpfer & Meyer konnten wir das gerade erleben.
Hubert Klöpfer möchte mit seinen nun bald 67 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Einen Nachfolger hat er bisher nicht gefunden, obwohl er seit zwei Jahren nach einem sucht und bisher 18 Verhandlungen geführt hat. „Es gibt eine Zeit anzufangen, und es gibt eine Zeit aufzuhören“, erzählt Klöpfer der Interviewerin vom Börsenblatt. (4) „Wie geht es Klöpfer & Meyer, wirtschaftlich?“, fragt sie den Firmenchef. Und dieser antwortet: „Seit Jahren sind unsere Umsätze, trotz der gravierenden Branchenveränderungen, konstant. Wir haben keine Verbindlichkeiten bei der Bank [...]. Dank ein paar Anpassungen und mit besonderen Anstrengungen konnten wir unseren Umsatz bislang einigermaßen gut und stabil halten – wir haben pro Jahr zwei bis drei Bücher mehr gemacht.“ Allerdings werde die Luft, so Klöpfer, „mit jedem Jahr dünner, die Startauflagen sinken, Bücher sind immer schwerer kalkulierbar. Jetzt freilich setzen wir auf einen richtig guten Herbst.“ – Gut gemacht, möchte man Herrn Klöpfer zurufen und ihm zu seiner Entscheidung gratulieren. Würden sich doch Politiker wie Horst Seehofer eine Scheibe von diesem Mann abschneiden!
Und doch haben zwei Professoren, beide sind bei Klöpfer & Meyer unter Vertrag, am 6. September einen Offenen Brief verfasst. Sie haben ihn „Tübinger Memorandum“ genannt. 103 Autorinnen und Autoren von Klöpfer & Meyer zeigten sich solidarisch und haben den Brief unterschrieben. Das Memorandum beginnt mit den Worten: „Wider das Sterben der Verlage, für Diversität der Literatur und Buchkultur. Vier Vorschläge zum Umgang mit der Verlagskrise“. (5)
Die kleinen unabhängigen Verlage hatten und haben es gegenüber den riesigen Konzernverlagen nicht leicht. (Muss ja auch nicht alles leicht sein. UnternehmerInnen lieben die Herausforderung, sonst wären sie keine.) Vom Verlagssterben zu reden, weil der eigene Verlag die Pforten schließen will und nach staatlicher Förderung zu rufen, halte ich allerdings für überzogen.

Solidarität zeigen
Solidarität mit ihren Verlagen zeigten viele Autorinnen und Autoren auch nach dem Vogel-Urteil in Sachen VG WORT. Viele gaben ihren Verlagen freiwillig den Anteil, der laut Beschluss des Bundesgerichtshofs nicht ihren Verlagen, sondern ihnen selbst zustand.
Hätten die Verlage umgekehrt genauso gehandelt?
Wer zeigt sich solidarisch mit den Autorinnen und Autoren, die keine Bestseller schreiben?
Und wer verdient eigentlich was an einem Buch?
Könnten die AutorInnen nicht einfach ein bisschen mehr vom Kuchen abkriegen?

Zehn Finger – zwei Hände
Wer wie viel an einem Printbuch verdient, lässt sich leicht mit zwei Händen erklären.
Jeder Finger steht für 10 Prozent – macht zusammen 100 Prozent.
Eine Hand symbolisiert die Verlage mit 50 Prozent, die andere Hand den verbreitenden Buchhandel. Von einem Buch, das im Laden 10 Euro kostet (netto), erhalten der Verlag und der verbreitende Buchhandel also jeweils 5 Euro.
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Verlage: 5–10 Prozent geben Verlage als Honorar an ihre AutorInnen ab. Das wären bei unserem 10-Euro-Buch, vermutlich ein Softcover, rund 80 Cent. Bei einem Hardcover sollten es 10 Prozent sein, bei Taschenbüchern mit hoher Auflage sind es eher 5 Prozent. Verlage reichen ihren AutorInnen also einen Finger. Welcher das ist, hängt nicht nur von der Ausstattung des Buches, sondern auch vom Verhandlungsgeschick des Autors ab. Autorinnen haben da Nachholbedarf, wie die Zahlen der Künstlersozialkasse gezeigt haben. 1 Finger – immerhin. Der Rest geht an die Druckerei, an die Verlagsauslieferung, an die Verlagsvertreter, in die Werbung oder bleibt im Haus: Lektorat, Herstellung, Vertrieb, Marketing, PR, Personalabteilung, Buchhaltung, Strom, Miete ... das alles kostet Geld. Und auch die Verlegerin braucht etwas zum Abbeißen. Da bleibt wenig übrig. Bei manchen Büchern gar nichts, Stichwort Querfinanzierung. Das heißt, mit Büchern, die besonders erfolgreich sind und einen größeren Gewinn einfahren, finanziert man Herzensprojekte, die sich selten rechnen. Lyrik zum Beispiel.
Kommen wir zum verbreitenden Buchhandel. Von den 50 Prozent gehen Pi mal Daumen 20 Prozent an den Großhandel – vor allem an die beiden Barsortimente Libri und KNV – und 30 Prozent an den stationären Buchhandel, so nennt man die Buchhandlungen vor Ort. Auch hier entstehen Kosten: Löhne und Mieten müssen gezahlt werden, der Transport und Versand von Büchern kostet Geld.
Bekommen Autorinnen und Autoren auch vom verbreitenden Buchhandel einen „Finger“ ab? Oder wenigstens ein Fingerglied?
Wäre doch möglich.
Zumindest beweist Amazon mit seinem Affiliate-Programm, dass auch hier durchaus ein paar Prozent drin wären.
Nein, in der Regel nicht.
Aber keine Regel ohne Ausnahme.

Autorenwelt
Diese Ausnahme ist deutschlandweit der Shop der Autorenwelt, und ich bin stolz darauf, ihn mit ins Leben gerufen zu haben. 7 Prozent vom (Brutto)Ladenpreis zahlt unsere Onlinebuchhandlung derzeit an Autorinnen und Autoren. Freiwillig. Einfach so. Dafür muss man sich als AutorIn einfach nur beim kostenlosen Autorenprogramm anmelden. Das ist in wenigen Minuten zu machen. Ab diesem Zeitpunkt bekommt man von jedem seiner Bücher, die über den Autorenwelt-Shop verkauft werden, 7 Prozent ab.
Die 7 Prozent, die wir nicht zuordnen können, weil sich die AutorInnen beispielsweise noch nicht bei uns angemeldet haben, sammeln wir in einem extra Topf. Mit diesem Geld wollen wir Autorenvereinigungen unterstützen.
Verlage und der verbreitende Buchhandel leisten gute Arbeit. Doch ohne die Arbeit der Autorinnen und Autoren ist alles nichts.
Wir von der Autorenwelt wollen, dass es Autorinnen und Autoren besser geht.
Autorenfreundlich Bücher kaufen – dafür stehen wir mit unserer Onlinebuchhandlung. Schauen Sie doch mal vorbei: shop.autorenwelt.de.

Dieser Artikel erschien zuerst im Oktober 2018 als Gastbeitrag auf dem Blog der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel.
Autorin: Sandra Uschtrin

Anmerkungen
(1) www.kuenstlersozialkasse.de/service/ksk-in-zahlen.html
(2) www.autorenwelt.de/blog/der-tod-der-midlistautorinnen = Sandra Henke: Der Tod der Midlist-AutorInnen? In: Federwelt, Zeitschrift für Autorinnen und Autoren, Heft 119, August 2016, Seite 57:
(3) www.selfpublisherbibel.de/die-grosse-selfpublishing-umfrage-2018-steigende-einnahmen-zunehmende-professionalisierung/
(4) www.boersenblatt.net/artikel-hubert_kloepfer_uebers_aufhoeren.1511682.html
(5) www.kloepfer-meyer.de/global/download/TUEBINGER_MEMORANDUM_WIDER_DAS_STERBEN_DER_VERLAGE.PDF

Blogbild oben: Photo by Nemichandra Hombannavar on Unsplash
Illustration Hände: Sandra Uschtrin