
Das Einkommen vieler DichterInnen liegt unter der Armutsgrenze. Das ergab eine Umfrage, an der 114 LyrikerInnen teilnahmen.
Wie sieht die finanzielle Situation von LyrikerInnen aus? VeranstalterInnen von Lyrikfestivals und Lesereihen, Vermittler sowie Dichterinnen und Dichter aus ganz Deutschland versammelten sich Mitte Mai in Caputh zu diesen Fragen und diskutierten Forderungen an die Politik. Der Tagung voraus ging eine Umfrage zur Einkommenssituation der Dichterinnen und Dichter in der Bundesrepublik, die das Haus für Poesie in Auftrag gegeben hatte.
200 DichterInnen hatten den Fragebogen erhalten, 114 beantworteten ihn. Demnach leben drei Viertel der Befragten mit einem Jahresbruttoeinkommen unter dem Bundesdurchschnitt von 32.486 Euro (nach statista.de, gearbeitet wird mit Angaben aus dem Jahr 2015). Für 77 Prozent liegen die Einnahmen aus schriftstellerischer Tätigkeit jährlich bei 10.000 Euro oder weniger. 45 Prozent derjenigen, die neben der schriftstellerischen Arbeit keiner weiteren Tätigkeit nachgehen, liegen mit ihrem Einkommen unter der Armutsgrenze, die bei 11.759 Euro im Jahr liegt.
Diese alarmierenden Zahlen sowie die lückenhafte Ausstattung von Poesieveranstaltern waren für das Plenum der Anlass, Aufgaben für sich selbst zu formulieren und Forderungen an die Politik zu diskutieren. Die Ergebnisse sind inzwischen in einem Forderungskatalog veröffentlicht und Entscheidungsträgern in der Politik präsentiert worden. Ziel ist es, die ökonomische Situation der LyrikerInnen sowie die Produktions- und Präsentationsbedingungen von Lyrik zu verbessern.
Die Umfrage zeigt auch, dass der größte Teil der Einnahmen aus schriftstellerischer Tätigkeit aus Auftrittshonoraren für Lesungen und Redebeiträge besteht: Mit 38 Prozent sind sie drei Mal höher als die Einnahmen durch Buchpublikationen (12 Prozent). Deshalb forderte die Runde aus Poesieveranstaltern eine massive Aufstockung der Veranstalterbudgets. Nur so könnten sie den DichterInnen ein angemessenes Honorar zahlen und adäquate Rahmenbedingungen ihrer Veranstaltungen (Räume, Technik und Öffentlichkeitsarbeit) schaffen.
Das Plenum sprach sich außerdem für eine Erhöhung der Lesehonorare und ein Mindesthonorar aus. Weitere Punkte für eine Verbesserung der Lage waren der Ausbau von Preisen und Stipendien für Lyrik sowie die Besetzung von Jurys mit Lyrikkennern, die Finanzierung von Formaten der kulturellen Bildung, eine nachhaltige Verbesserung der Präsenz und Vermittlung von Lyrik an Schulen und Hochschulen, eine Stärkung der Lyrikkritik und die Öffnung beziehungsweise Schaffung von Förderprogrammen für lyrikbezogene Publikations- und Vermittlungsplattformen im Internet.
Das Plenum machte auf die genuine Rolle und Bedeutung der Poesie aufmerksam. In einer Pressemeldung hieß es später: »In der Lyrik findet die Sprache ihre verdichtete Kunstform. Mit dem Gedicht werden sprachliche Formen und Ästhetiken als autarke Erkenntnismodelle entwickelt und erprobt. Das poetische Denken ist eine spezifische eigene Auseinandersetzung mit der Welt und ihrer Wahrnehmung, unabhängig von Markt- und Verwertungslogiken. Es eröffnet abweichende, auch radikale Erfahrungsräume.«
Die Studie gibt es im Internet kostenlos zum Download. Hier der Link zum 18-seitigen PDF: