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Coronavirus-Krise trifft Autorinnen und Autoren besonders hart

Branchen-News
Sandra Uschtrin
Nina George und Lena Falkenhagen

Seit dem Nicht-Stattfinden der Leipziger Buchmesse geht es vielen Autorinnen und Autoren immer schlechter. Lesungen finden nicht mehr statt, Einkünfte brechen weg. Um die Folgen der Coronavirus-Krise abzufedern, setzen sich die beiden Schriftstellerinnen Nina George und Lena Falkenhagen derzeit rund um die Uhr für ihre Kolleg*innen ein. Sie klären auf, schreiben Artikel, engagieren sich. Ehrenamtlich. – Chapeau!

Nina George im Börsenblatt vom 30. März 2020

In einem Börsenblatt-Artikel (1) vom 30. März 2020 plädiert Nina George für »ein grundlegendes Update des bisherigen Systems« nach Corona. Dabei spricht sich die Präsidentin des European Writers' Council unter anderem für einen Systemumbau in der Buchbranche aus. Einer der Systemfehler, die sie in ihrem Artikel aufzählt, sei die »zu weit fortgeschrittenen Untervergütung der Autorinnen«. Es müsse gerechtere Vertrags- und Beteiligungsstrukturen geben.

Auch manche Autorinnen und Autoren kritisiert sie und fordert: »Keinen Quatsch mehr mit aggressivem Preisdumping und Gratis-Aktionen, weil das angeblich Werbung sei. Ein E-Book ist ein Buch, erschließen wir uns also Wertschätzung – und auch Wertschöpfung: Entwerfen wir Verwertungsmodelle auf Portalen, die es bereits gibt, oder neuen, branchengerecht gebauten Plattformen, die es den bisherigen Monopolen nicht so furchtbar einfach machen, unwürdige Bedingungen von Flatrates und 60-Prozent-Rabatten zu diktieren – oder mal eben den Buchversand auszusetzen.«

Lena Falkenhagen in Politik & Kultur, April-Ausgabe 2020

Lena Falkenhagen ist seit Februar 2019 Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in ver.di. In ihrem Artikel in der April-Ausgabe von Politik & Kultur (2) schreibt sie: »Die Bandbreite der unmittelbaren Auswirkungen ist immens – die Betroffenen berichten von zwischen 20 und 80 Prozent Honorarausfällen. Viele wissen nicht, wie sie bereits im April oder Mai ihre Miete bezahlen sollen, geschweige denn, wie es weitergeht. Das Messeprogramm [Frühjahrsprogramm der Verlage] hat keine Sichtbarkeit erfahren. In einigen Buchhandlungen werden diese Programme bereits vollständig an die Verlage remittiert, um Kosten zu sparen. Verlage selbst haben begonnen, Neuerscheinungen ins Herbstprogramm zu schieben – wo diese Bücher wiederum auf ein bereits durchgeplantes Programm treffen. Ganz zu schweigen davon, dass in vielen Werkverträgen zumindest eine Zahlungsrate an die Veröffentlichung des Buches geknüpft ist und so ein Loch in der Jahresplanung der Autoren entsteht.

Und weiter: »Bücher haben de facto keine Sichtbarkeit mehr. Es entsteht eine Art "unsichtbares Programm", das publiziert wurde, aber kaum Verkäufe verzeichnet. [...]
Stand heute – 25. März 2020 – hat sich die Situation weiter verschärft. Honorarverträge werden ausgesetzt, Großverlage drücken selbst etablierten Autorinnen und Autoren die Honorare für noch abzuschließende Werkverträge für 2021. Ein solches Verhalten empfinde ich als empörend unsolidarisch. Dies geschieht mit Hinweis auf die Unwägbarkeiten durch Corona. Hier nimmt der Abwärtstrend der Autorenhonorare, der sich in den letzten Jahren ausmachen lässt, eine Beschleunigung an, die in der Branche einen langfristigen Schaden hinterlassen wird.«

Nina Goerge in Politik & Kultur, April-Ausgabe 2020

Für die lesenswerte April-Ausgabe von Politik & Kultur hat Nina George ebenfalls einen Artikel (3) beigesteuert. Darin heißt es: »Lesen erlebt digital eine Lockdown-bedingte Renaissance. Nur vermehrt via E-Book-Piraterie, Flatrates und Onleihe. Günstig soll es sein, das Vademecum gegen Budenkoller, nachvollziehbar. Und so rasseln die jetzt eh schon vernichteten Honorare weiter in den Keller.«

In ihrem Artikel erzählt sie von einzelnen Autorenschicksalen. Etwa vom einem Kinder- und Jugendbuchautor, der jährlich rund 42 Lesungen gibt, die »entscheidende Einkommensquelle« in diesem Genre. Jetzt würden ihm 14.000 Euro fehlen. [...] Der VS Bayern habe 3.200 Euro Durchschnittsverlust für acht Wochen ohne Auftritte ermittelt. Pro Person.«

Lena Falkenhagen in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 30.03.2020

In einem Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung (4) vom 30. März 2020 fordert Lena Falkenhagen: »Jetzt sollte man das Arbeitslosengeld I für Soloselbstständige öffnen und es an den durchschnittlichen Einkünften des letzten Jahres orientieren.« Und: »Autoren, aber auch bildende Künstler arbeiten oft am Limit. Die Honorare sinken in den letzten Jahren. Das gilt insbesondere für Vorschüsse auf Bücher. Kleinverlage zahlen solche Vorschüsse schon längst nicht mehr. Es wird dann versucht, über etwas höhere Tantiemen einen Ausgleich zu finden. Auch bei Großverlagen sind die Vorschüsse gesunken, viel Geld gibt es meist nur noch für die Schwerpunkttitel. Diese Situation eskaliert in der Corona-Krise. Ich denke, dass in dieser Krise viel zerstört werden wird. Wir werden diese Zäsur in der Kultur noch sehr lange spüren.«

Engagiert euch!

Früher haben sich manche Autor*innen gefragt, warum sie dem VS beitreten sollten. »Was habe ich davon?« – Lobbyarbeit zum Wohle der Autorinnen und Autoren und damit der Buchbranche wird nach Corona wichtiger sein denn je. Unterstützt Nina George und Lena Falkenhagen bei ihrer Arbeit! Engagiert euch!

Oder wie Anke Gasch, Chefredakteurin der Federwelt im Editorial der April-Ausgabe (5) schrieb: »Im Buchwelt-Hintergrund arbeiten einige von uns ehrenamtlich (!) und unermüdlich daran, Kolleg*innen zu unterstützen, auch mit Tipps zur Sofort-Selbsthilfe, etwa via VS-Handreichung. Allen voran Nina George und Lena Falkenhagen. Sie raten zum Beispiel, das Finanzamt sofort anzuschreiben und die Steuerschuld mindern beziehungsweise die Vorauszahlungen herabsetzen zu lassen, sich jetzt an einen Verband oder Verein anzudocken und – im Härtefall – den Sozialfonds der VG WORT in Anspruch zu nehmen. Vielen ist vielleicht gar nicht bewusst, wie viel Zeit und Kraft diese zwei uns schenken. Ein (recht bequemer) Weg, ihnen den Rücken dafür freizuhalten, ist, ihre Bücher zu kaufen – ob im lokalen Buchhandel, der auch während der Schließungen online Bestellungen annimmt und versendet, oder sehr gerne im Autorenwelt-Shop, denn da erhalten Autor*innen 7 Prozent zusätzlich zu ihren Verlagstantiemen.«

Anmerkungen

(1) Nina George: Nina George über Wertschätzung und Wertschöpfung in der Buchbranche, Börsenblatt vom 30. März 2020, https://www.boersenblatt.net/2020-03-30-artikel-die_chance_auf_ein_system-update-nina_george_ueber_wertschaetzung_und_wertschoepfung_in_der_buchbranche_.1839988.html

(2) Lena Falkenhagen: Das Buch fällt durch das Raster. Corona als kritischer Einschnitt für die Buchbranche in Deutschland. In: Politik & Kultur, Nr. 4/20, April 2020, Seite 35, https://www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2020/03/puk04-20.pdf

(3) Nina George: Von Wunden. Und Wundern. Die aktuelle Situation von Autorinnen und Autoren während der Corona-Pandemie. In: Politik & Kultur, Nr. 4/20, April 2020, Seite 34, https://www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2020/03/puk04-20.pdf

(4) Lena Falkenhagen: Schnelle Hilfen für Autoren gefordert. Gewerkschafterin Falkenhagen: Darum trifft die Coronavirus-Pandemie Schriftsteller besonders. In: Neue Osnabrücker Zeitung, 30.03.2020, https://vs.verdi.de/++file++5e81bafa8f88f6c244f69ca2/download/NOZ%20Seiten%20Interview%20Falkenhagen.pdf

(5) Anke Gasche, Editorial, Federwelt, Heft 141, April 2020

Blogbild: (links) Nina George. Foto: Helmut Henkensiefken (c) FinePic München | (rechts) Lena Falkenhagen. Foto: Antje S.